Entwerfen, herstellen, verkaufen: Viele Designer nehmen heute das Heft des Handelns in die eigene Hand und vertreiben ihre Produkte selbst.
Der Weg von der Skizze bis zum Produkt im Regal wird immer kürzer. Ein Grund dafür ist, dass sich immer mehr Designer als Generalisten begreifen und kurzerhand alle anfallenden Produktions- und Organisationsschritte selbst übernehmen. Sie sind Entwickler, Hersteller und Vertrieb. Dabei machen die meisten jedoch dieselbe Erfahrung: Dinge herzustellen, ist verhältnismäßig einfach. Sie an den Mann zu bringen, ist komplizierter – und vor allem zeitraubend. Frustration zeigen die Multitasker trotzdem nicht, denn der Regiestuhl bringt auch viele Vorteile: größere Gewinnmargen, kreative Freiheit und die Kontrolle über jedes Detail.
Verkaufsfördernde Imagepflege
In der Diskussion um Designer, die ihre Produkte selber vertreiben, muss man Grenzlinien ziehen: Wenn Jasper Morrison auf seiner Webseite den gesamten Kosmos seiner Entwürfe feilbietet und durch seine supernormalen Lieblingsstücke ergänzt, dann will er sicherlich nicht nur seine Bilanzen verbessern, sondern vor allem sein Image pflegen. Lohnen kann sich das trotzdem. Autorendesigner stehen für eine bestimmte Produktästhetik und bewegen sich damit nah an der Marke. Um beim Beispiel Morrison zu bleiben: Wer seine Seite besucht, interessiert sich für seine typische Produktsprache und ist damit potenzieller Kunde. Diesem gleich ein Shopping-Cart zur Verfügung zu stellen, in das er mit einem Klick all die Morrison-Produkte verschiedener Hersteller legen kann, ist ein cleverer Schachzug.
Noch konsequenter nutzt diese Art des Crossmarketings Tom Dixon. Er hat gewissermaßen den Schritt vom Autorendesigner zum Designautoren gemacht: Er schreibt seine eigene Geschichte. 2002 hat er mit der Gründung von „Tom Dixon“ seinen Namen direkt verbrandet; er produziert und vertreibt Möbel und Leuchten, die dann auch in seinen Interieur-Projekten eingesetzt werden. Wer ihn online besucht, erhält Einblick in die Dixon-Rundum-Sorglos-Pakete. Und kann selbstverständlich alle Dixon-Produkte direkt bestellen, egal, ob der User Endkunde, Architekt oder Einzelhändler ist.
Läden gründen und abklappern
Morrison und Dixon können allein schon mit ihrem Namen Kundschaft akquirieren. Den Vorteil haben kleinere Designbüros jedoch nicht. Wir sind zu Besuch bei Toshi im Berliner Prenzlauer Berg. Im Studio von Tobias Schirmer und Evelyn Schöneich stapeln sich Kartons bis unter die Decke. Darin sind gebogene Metallteile, Kabel, Schalter und Fassungen. Aus all diesen Parts setzen sich ihre „Skipper“ zusammen, mobile Leuchten mit einer minimalistischen Formensprache und cleveren Funktionen: Sie lassen sich mit einem Handgriff und ohne Schrauben hinter Spiegel klemmen oder in Regale schieben.
Das Produkt war von Anfang an gezielt für den Eigenvertrieb und für den Versand in kleinen Kartons angelegt. Dafür betreiben Schirmer und Schöneich einen an ihre Webseite angeschlossenen Onlineshop. Doch jeden weiteren Kanal müssen sie erst erschließen. Das kann auch mal heißen, dass sie mit einem Bündel Leuchten direkt in einen Laden gehen und diese dort vorstellen. Mittlerweile gehören „Skipper“-Leuchten zum Produktportfolio vieler Designshops und bekannter Onlineplattformen. „Der Zeitaufwand für die Akquise wird aber leicht unterschätzt; da muss man als Designer aufpassen, dass sie nicht die kreative Arbeit blockiert“, resümiert Tobias Schirmer seine Erfahrungen.
Ähnliches hört man aus dem Studio Llot Llov von Ania Bauer, Jacob Brinck, Lena Hirche und Ramon Toshiro Merker. Zum Portfolio gehören unter anderem gedrechselte Garderobenknäufe und in Wolltextil gewandete Leuchten wie die kleine, mobile „Matt“ und die Hängeleuchte „Ray“. Mittlerweile stecken in der Kollektion mehrere Jahre Arbeit. Einen signifikanten Teil davon investierten die vier Designer in den Vertrieb. Denn selbst wenn das Produkt verkaufsfertig ist, warten vor der Weitergabe an den Zwischen- und Einzelhändler noch weitere Schritte: Verpackungsdesign, Bedienungsanleitungen, Produktblätter oder auch ein Prüfsiegel. Dann müssen Rechnungen und nicht selten Mahnungen verschickt werden. „Manche Kaufhäuser stellen die Bedingung, dass sie erst 60 Tage nach Wareneingang zahlen – das muss alles mit einkalkuliert werden.“ Aber sowohl Toshi als auch Llot Llov betonen einen großen Vorteil des Eigenvertriebs: Dadurch, dass sie unmittelbar mit den Läden zusammenarbeiten, wissen die Designer immer, in welchem Umfeld ihre Produkte dort stehen und ob das zur eigenen Markenidentität passt.
Design als Local Business
Die direkte Zusammenarbeit zwischen Designern und Händlern ist mittlerweile weit verbreitet und bringt einen interessanten Nebeneffekt mit sich: Weil Produkte oft studionah vertrieben werden, entwickelt sich eine „Local Design“- Kultur. So ballt sich Kölner Design im Kölner Raum, Berliner Design in Berlin. Wobei gerade die Hauptstadt nicht nur die ortsansässigen Designer anzieht.
Die Idee, eine Berliner Repräsentanz zu eröffnen, hatten beispielsweise auch drei Gestalter aus Solingen. Vor zwei Jahren starteten Bjoern Berger, Denis Cegielski und Tobias Welzel, die schon vorher in einer Werbeagentur zusammengearbeitet hatten, ihre Möbelmarke Supergrau. Die Kollektion besteht aus eigenen, aber auch aus kuratierten Entwürfen wie der Deckenleuchte „Furore“ von Lima de Lezando: Das Trio entdeckte sie im Internet und nahm sie sofort unter Lizenz. Seit dem Frühling betreiben sie neben dem Webshop einen großen Showroom in Berlin, in dem sie ihre Kollektion ausstellen, die mittlerweile knapp ein Dutzend Objekte umfasst. Ihre Rechnung ist einfach und einleuchtend: „Das Geld, das wir etwa für einen Stand auf einer der großen Möbelmessen ausgeben würden, reicht hier für ein Jahr Miete – und ist besser investiert.“ Endkunden, aber auch Einkäufer von Möbelläden können den Showroom besuchen und sich alle Objekte direkt vor Ort ansehen.
Kleine Margen, große Reichweite
Neben der Positionierung ihrer Produkte in der realen Ladenumgebung setzen die meisten Hersteller und Designer parallel auf virtuelle Shoppingkanäle. Dabei sind es nicht nur die eigenen Plattformen und die großen Onlinedesignshops wie Connox, Ikarus oder auch das kleinere Selekkt, die Vertriebsmöglichkeiten bieten. In den letzten Jahren haben sich daneben viele Portale für kuratierte Flash-Sales etabliert. Das aus Amerika stammende Fab hat mit Monoqi im Februar ein deutsches Pendant bekommen. Beide bieten den gleichen Service: Designer und Hersteller können ihre Produkte für einen begrenzten Zeitraum anbieten. Die Preise liegen unter dem regulären Ladenpreis. Dafür garantieren die Shops mit ihren Mitgliederzahlen eine große Reichweite. 70.000 registrierte Nutzer hat das frisch gegründete Monoqi bereits in Europa, das etwas ältere Portal Fab spricht von 600.000. Und obwohl die Gewinnmargen hier etwas geringer ausfallen, gibt es einen entscheidenden Vorteil: Die Plattformen wenden sich an ein designaffines Publikum, das sich für die Teilnahme an den Flash-Sales registrieren muss. Damit schließen die Portale eine Lücke, die selbst die Designgeneralisten nur schwer bezwingen können. Die Onlineshops machen großflächig Werbung. Denn mit jeder Aktion geht ein Newsletter an alle Abonnenten, eine digitale Postwurfsendung für Designliebhaber.