
Sie galoppieren mit wehenden Flügeln über den Strand, robben durch die Dünen oder hoppeln ungestüm dem Wind hinterher. Die Strandbeesten, zu deutsch Strandbiester oder Strandtiere, sind das Projekt des niederländischen Künstlers Theo Jansen. Seit 1990 baut er kinetische Wesen, die einmal ins Leben gebracht weder Strom noch Futter brauchen, um in Freiheit zu überleben. Eine kleine Windböe reicht aus, sie haucht ihnen Leben ein und setzt sie in Bewegung. Hauchdünne Flügel beginnen zu rotieren, bringen wiederum Zahnräder zum Ineinandergreifen, bis Kurbelwellen die eingefangene Energie in eine Gehbewegung übersetzen: Der Tanz beginnt.
Der lange Weg in die Freiheit
Für Jansen ist es auch ein Weg Richtung Eigenständigkeit. Wie ein guter Vater möchte er die Geisteskinder eines Tages in die Freiheit schicken. „Im Laufe der Zeit sind die Skelette immer besser darin geworden, die Konfrontation mit den Elementen wie Sturm und Wasser zu überleben. Eines Tages möchte ich diese Tiere in Herden an den Stränden aussetzen, wo sie ihr eigenes Leben führen werden“, erklärt Jansen. Begonnen hat die Geschichte der Strandbeesten vor knapp drei Jahrzehnten bei einem Strandspaziergang mit einem für die Niederlanden typischen Gedanken: Wie könnte man das Land vor dem zwangsläufig steigenden Meeresspiegel schützen? Jansen wollte ein Tier erschaffen, das die Dünen ständig aufschüttet. Ein eigenständiges Ding, unabhängig von Elektrizität und Wartung, von Mensch und Futter. Er machte sich an den Bau seiner ersten Maschine – und taufte sein Pioniergeschöpf Animaris vulgaris.
Dank der Evolution zur Revolution
Mittlerweile ist das Archiv der vielen Versionen ein verzweigter Stammbaum, und der Klimawandel fordert größere Lösungen als erhöhte Deiche. Aber Theo Jansen ist ein Wissenschaftler und Künstler im Geiste Leonardo da Vincis, und die Strandbeesten reisen als Botschafter seiner Vision von autarken Maschinenwesen durch die ganze Welt. Derzeit sind sie im Frankfurter Kunstverein zu sehen, der in der Ausstellung Empathische Systeme auch unsere unmittelbare Faszination für die Wesen in den Fokus stellt. Was genau verändert unseren Blick auf ein paar hundert Meter Plastikrohr? Wodurch wird das Halbzeug emotional so aufgeladen, dass wir es tatsächlich vielmehr in die Kategorie eines „Wesens“ als eines nichtbiologischen Objektes einordnen? Die Antwort ist ganz schlicht: Es ist allein seine Bewegung, die durch ihre bionische Grundlage eine unmittelbare Vertrautheit auslöst. Wenn sich Maschinen in bekannten Mustern bewegen, entwickelt der Betrachter unmittelbar eine emotionale Beziehung. Und so lernen wir beim Blick auf die flinken, behäbigen, wuselnden oder gleitenden Wesen nicht zuletzt auch etwas über uns selbst.