Wo früher Wein gekeltert wurde, kann heute gemütlich gewohnt werden. In einem alten Winzerhaus im Moseltal haben zwei designaffine Weinliebhaber die lokale Vergangenheit in modern gestaltete Ferienapartments überführt.
Das kleine Zeltingen-Rachtig liegt zwischen Bernkastel-Kues und Traben-Trarbach. Mit den beiden Nachbarorten teilt es die Lage in den sanften Weinhügeln des Moseltals; eine Besonderheit seines Panoramas ist die 2019 fertiggestellte Hochmoselbrücke, die die Eifel mit dem Hunsrück verbindet. Ein formal strenges und gigantisches Bauwerk der Superlative, das wirkt, als wäre ein Geodreieck kopfüber zwischen die Hänge gequetscht worden. Neben seiner Superbrücke kennt Zeltingen-Rachtig, auch das ist ganz typisch für die Region, eigentlich nur ein Thema: Wein. Jedes zweite Haus ist ein Weingut, ein Weinhandel oder ein Weinlokal. Im Haus des Weingarten 1897 wurde seit seiner Erbauung vor 120 Jahren nahezu durchgehend Wein gekeltert.
Kitti, Lucy und Moritz
Im Frühjahr 2020 haben die Düsseldorfer Bettina und Markus Kratz, Inhaber einer Agentur für Markenkommunikation und Interieurdesign, im alten Bestand vier Apartments für Moselreisende eröffnet. Dabei ist die Gestaltung jeder Unterkunft individuell. Mit welchem beruflichen Hintergrund die beiden Betreiber unterwegs sind, zeigt sich in einem ganzheitlich gestalterischen Herangehen. Die Apartments heißen Lucy und Moritz von Breitenfels oder Kitti Schwenke und sind nach fiktiven Bewohnern benannt, die den Räumen ihren individuellen Stempel aufgedrückt haben. Bei Kitti ist das Interieur vor allem aschrosa, die Möbel sind in Naturholz gehalten und treffen auf Details aus Leder und Textil. Bei Lucy und Moritz ist es grün, es gibt botanisch ausgerichtete Akzente und eine große Außenterrasse. Von Mobiliar, Teppich, Tapete, Namensgebung bis Beschilderung wurde nichts dem Zufall überlassen, sodass am Ende eine glaubwürdige Geschichte und vor allem ein Zuhause entsteht. Die frühere Bestimmung des Anwesens bleibt erhalten. Trotz Umbau ist die bauliche Substanz erkennbar und typische Gerätschaften aus der Weinkellerei wurden in das Konzept eingebunden. Das ist gut gelungen und kaum überraschend: Das private Domizil der beiden Gestalter in Düsseldorf-Flingern wurde 2018 vom Callwey Verlag zu einem der 30 besten Wohnkonzepte in Deutschland gekürt.
Alte Lagen, neue Nutzung
Ein wichtiger Baustein des Konzeptes ist der Naturanschluss. Ein Teil des ehemaligen Weinberges wurde zu einer Gartenoase für alle Zeiten und Wetter. Zwischen den Laubbäumen schwingt eine Hängematte, ein großer Holztisch nimmt gesellige Runden auf und eine kubische Holzarchitektur bietet an den Außenwänden Outdoorküche und Sofaecke. Bei schlechtem Wetter können sich die Gäste in das integrierte Gartenhaus zurückziehen oder in die noch darunter liegende Outdoorlounge des Winzerhauses. Sie liegt auf einem Weinkellerpodest mit großem Lagerraum und lädt auf 30 Quadratmetern mit Sofas, Ess- und Arbeitstisch, Hängesessel und Lichterketten zum Entspannen ein. Im Innenhof gibt es zusätzlich einen kleinen Platz für zwei Personen zwischen den alten Traversen und Seilzügen der Weinkellerei. „Der Weingarten sieht sich auch als Beitrag zu einer Moselregion im Aufbruch, die ihr etwas angestaubtes Image loswerden und sich als zeitgenössische Feriendestination positionieren will“, sagen Bettina und Markus Kratz über ihr Hotelkonzept. Geschaffen haben sie vier Lieblingsorte, die Tradition neu denken und Urlaubslaune machen.
Die Mosel
Traben-Trabach, Bernkastel-Kues, Zeltingen-Rachtig. Klangvolle Namen, die nach Flusskreuzfahrt klingen, nach idyllischer Natur und weinseligen Wandertagen. Die 544 Kilometer lange Strecke an der Mosel überzeugt auch diejenigen, die behaupten, Deutschland hätte gar keine schönen Landschaften. Allein der Fluss mit seinen Kehren und Windungen verspricht Entschleunigung. Entweder schaut man dem Strom vom Land aus beim Vorbeifließen zu – oder begibt sich selbst auf die Mosel. Auf einem der vielen Ausflugsdampfer zieht die Kulturlandschaft mit ihren sanften Hügeln und steilen Weinterrassen langsam vorbei. Selbstverständlich wird auch dazu eine Weinkarte gereicht. Zum kühlen Schoppen ist die beste Grundlage ein Strammer Max. Denn das nächste Gläschen wartet schon: In der Gegend rund um Zeltingen-Rachtig arbeitet eine neue Generation Winzer an innovativen Weinprojekten. Typisch für die Gegend sind die Lagen Zeltinger Himmelreich, Schlossberg und Sonnenuhr. Und wer genug hat von den Reben, der könnte auch nach Traben-Trarbach auf Deutschlands ersten Minigolfplatz, das Wasser von der Moselweinbahn aus betrachten oder in Bernkastel-Kues die schmalste Weinstube im Fachwerk-Spitzhäuschen fotografieren.