Wenn sich in leeren Boxen Objekte materialisieren, dann klingt das nach Science-Fiction. Allein, dass diese Fiktion inzwischen Realität geworden ist. 3D-Printer revolutionieren nicht nur industrielle Herstellungsverfahren, sondern auch unsere Gesellschaft. Die Innovationsmesse Interzum, die vom 5. bis zum 8. Mai in Köln stattfand, stellte in ihrer Sonderschau Innovation of Interior die spektakuläre Welt des 3D-Drucks in den Mittelpunkt. Sie präsentierte auf einer vom Materialspezialisten Sascha Peters kuratierten Sonderfläche 4th Industrial Revolution die Potenziale der generativen Fertigung im Design.
Die ersten 3D-Drucker wurden in den 1980ern patentiert. Seitdem steuern die Geräte auf ein Ziel zu: heraus aus den Werkstätten der Maker- und DIY-Szene und rein in den Haushalt. Den ersten Schritt dorthin haben sie schon gemacht. Der 3D-Drucker ist nicht mehr nur Prototypenproduzent und Experimentierwerkzeug, sondern ein ernsthaftes Fabrikations-Tool. Als solches stellt er komplexe Bauteile her und schafft Konstruktionsmöglichkeiten, die etwa im Druckguss oder durch Fräsen niemals realisierbar wären. Das additive Verfahren des 3D-Drucks baut schichtweise auf und integriert selbst verzweigte Hinterschneidungen. Eine Beschränkung stellt noch das Material dar, wenn monothematisch Metalle und Polymere gesintert oder Kunstharze in der Stereolithografie verfestigt werden. In ein paar Jahren aber wird die Herstellung eines einzigen Produktes in verschiedenen Materialien und Farben möglich sein.
Schuhe nach Maß
Neben unserem Tintenstrahler könnte eine kleine Druckmaschine stehen, die Dreidimensionales auswirft wie der Klassiker einst Papier. Vielleicht werden wir unsere Füße scannen und maßgedruckte Schuhe fabrizieren oder ein Nudelsieb herstellen, das zu den Töpfen passt. In unseren Küchen könnten Maschinen einziehen, die uns Keksverzierungen basteln oder Mahlzeiten im Schichtdruck zubereiten. Im Auftrag der NASA wurde bereits eine Pizza gedruckt – mit einem nicht sonderlich appetitlichen Ergebnis. Aber so erging es auch dem ersten Dosengemüse.
Goldene Zeiten im Bauraum
Über diese vierte industrielle Revolution, die nur noch wenige Entwicklungsschritte entfernt zu liegen scheint, wird überraschend wenig diskutiert. Sicher ist: Die Folgen der dezentralisierten Produktion rütteln das Leben der Konsumenten durcheinander ebenso wie die Welt des Designs. Der Gestalter wird Digitales entwerfen, der Konsument druckt es zuhause aus oder lässt es bei Bedarf anfertigen. So ist jeder in der Lage, seinen eigenen Produktkosmos zu schaffen. Dabei gibt es bisher eine Grenze: den Bauraum. Ganze Möbel werden sich zumindest in der Heimanwendung eher nicht materialisieren – und für einfache Konstruktionen wie minimalistische Regale oder Tische wird auch in Zukunft das klassische Schreinerhandwerk die erste Wahl bleiben. Trotzdem herrscht unter den Möbelproduzenten „Goldgräberstimmung“ sagt Sascha Peters, Innovationsberater und Produktentwickler. Er hat die Ausstellung zum Thema kuratiert, die in der Sonderschau Innovation of Interior auf der Messe Interzum zu sehen war.
Vor Ort und On Demand
Allein in den letzten zwei bis drei Jahren sind hunderte neue Unternehmen im Bereich der generativen Fertigung gegründet worden. Im Fokus haben sie vor allem die Produktion kleinerer Teile, Griffe, Haken oder Ersatzteile mit einer komplexen Geometrie. Sascha Peters führt aus, wie sich der 3D-Druck in naher Zukunft in unserem Alltag etablieren wird. „Im Bedarfsfall würde der Kunde ein Bauteil im Internet beim Hersteller bestellen. Dieser würde eine Produktionsanlage in der Nähe des Kunden auswählen, die digitalen Fertigungsdaten versenden und dort drucken lassen. Der Logistikaufwand würde sich deutlich reduzieren, und die industrielle Fertigung würde sich zielgerichteter auf den Kundenwunsch ausrichten.“ Bis Möbelsysteme aus dem Drucker fallen, wird es also noch dauern – experimentiert wird trotzdem schon auf allen Seiten. Dabei liegt der Fokus der Gestalter vor allem auf den konstruktiven Möglichkeiten.
Alles ist möglich, alles muss?
Ein Beispiel ist der deutsche Hersteller Purmundus, der sich in seiner Kollektion vor allem auf Dekorations- und Lichtobjekte konzentriert, die die ästhetischen Qualitäten in den Vordergrund stellen. Leuchten wie Cynara SLS reizen die technischen Möglichkeiten aus, spielen mit Oberflächen, Strukturen und mathematischen Flächen. Gleichzeitig sind sie aber in ihrer Größe überschaubar – und damit auch im Preis. Der ist derzeit noch das größte Hemmnis. Mittelgroße Werkstücke kosten schnell bis zu 500 Euro. Deshalb versuchen Hersteller und Gestalter, kleine Objekte zum Schaustück der Potenziale zu machen – was faszinierend ist, aber nicht unbedingt eine Augenweide für Minimalisten. Schnell wird so klar: Das neue Werkzeug muss seine Sprache erst noch finden. Wohin es gehen könnte, zeigt das Studio Minale Maeda mit seinem Projekt Keystones. Gedruckte Verbindungselemente bringen Latten, Stäbe und Bretter zu Tischen, Garderoben oder Böcken zusammen. Die weißen Module werden zu durchaus dekorativen Gelenken eines Holzskelettes und gereichen dem guten alten Grundsatz von form follows function zur Ehre. Das Design könnte als Datensatz geladen und vor Ort zusammengebaut werden.
Wir drucken eine neue Welt
Könnte. An dieser Stelle entstehen Fragezeichen, die vergleichbar sind mit denen, die der letzte Revoluzzer Internet hinterlassen hat. Wie kann der Designer seine Arbeit schützen? Wie sieht es aus mit Patenten, Geschmacksmustern und anderen Rechten? Wie lassen sich diese durchsetzen und wer kann die Weitergabe der Daten kontrollieren? Sich mit den Möglichkeiten der neuen Verfahren auseinander zu setzen, heißt auch, sich mit ihren Auswirkungen zu beschäftigen. Neben dem physischen Produkt wird die Wirtschaft sich anpassen müssen. Auch die Gesellschaft wird sich mit den neuen Möglichkeiten verändern, neue ethische Fragestellungen inklusive. Die regenerative Medizintechnik wird beispielsweise in der Lage sein, gebrochene Knochen und vielleicht sogar notwendige Organe On Demand nachzubauen. Im großen Maßstab können Häuser in nur wenigen Tagen aus Druckmaschinen wachsen. Autos wie das Strati Car von Local Motors sind schon die Vorboten einer neuen Automobilindustrie. Ausgewählte Pionierprodukte des Wandlungsprozesses wird man in Köln erleben können – und ein weiteres Kapitel aus der Schublade Sci-Fi verabschieden.