Auroville ist eine Schaustadt gebauter Sehnsucht, ein architektonischer Spielplatz, ein Fluchtort für diejenigen, die politischen und sozialen Angebot der Welt keine Heimat finden konnten. Hier treffen Nationen und Kulturen aufeinander, aber auch Utopien und Fehlschläge. Wer hier leben will, bringt seine Talente ein und bekommt im besten Fall Harmonie und Entschleunigung zurück. Doch viele der in den späten Sechzigern entstandenen Ideen sind nicht nur dem Klima, sondern auch den Fallstricken der Realität zum Opfer gefallen. Die Bewohner halten fest. An den Beton gewordenen Vorstellungen vom harmonischen Leben, an der guten Botschaft und an dem kontroversen Standort Indien.Villen verfallen, die Straßen atmen die Einsamkeit eines alten Westerns.
Während vor Aurovilles Toren indischer Kapitalismus und das alte Klassensystem ihren ländertypischen Kampf ausfechten, bemüht sich die von einer anderen Generation erdachte Utopie weiterhin um Realisierung. Renommierte Architekten haben frei von einschränkenden Regularien ihren Traum-Bau hingestellt, die Stadtpolitik verfolgt eine vorbildliche Wasser- und Abfallwirtschaft. Trotzdem ist Auroville mehr ein temporäres Feriendomizil für Großstadt-Hipster und Studienort für internationale Universitäten, als ein weltweit wahr- und ernstgenommener Mikrokosmos. Der Ort schafft es dennoch zu rühren, kaum ein Besucher denkt nicht wenigstens kurz über den Zuzug nach. So schön geht die Sonne hinter dem goldenen Ball des Matrimandir unter, nirgendwo sonst schmeckt der lokal gewachsene Gartensalat so gut zum Kräuter-Smoothie. Man trägt natürlich gefärbte Baumwolle und radelt zum Yoga. Bis man vor die Stadttore gerät und dort Armut, Müllberge und verlotterte Strände findet. Der Blick von draußen zeigt Auroville als vor der eigenlichen Landeskultur verschlossene „Gated Community“ und als einen Ort, der visionär und rückgewandt zugleich ist. Und damit einen mitten auf der Erde heimisch gewordenen Satelliten.Wer herkommt, findet eine Utopie auf der Suche nach ihrer Seele und nach funktionierender Zukunft. Eine fünfzig Jahre andauerende Versuchsanordnung.Die immer noch viel Hoffung trägt, aber tagtäglich um ihren Fortbestand ringt.
Über Auroville ist beim Baunetz eine umfangreiche Baunetzwoche erschienen, das pdf kann hier heruntergeladen werden.