Alles auf Aussicht

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Hoch oben, wo die Luft dünner wird und der Radius des Panoramas seine Gradzahl bis zum Rundumblick erhöht, rückt das Leben im Tal in einen zur Entschleunigung nötigen Abstand. Das Gebirge ist ein Sehnsuchts- und Zufluchtsort. Mit launigen Witterungsverhältnissen und schroffer Natur stellt er besondere Anforderungen an seine Bewohner und Besucher, belohnt dafür aber mit Aussicht. Wir haben die schönsten Räume und Dinge für ein Leben mit den Bergen zusammengestellt.

Berge oder Meer? Zwischen diesen beiden landschaftlichen Gegenpolen liegt nur der Alltag. Wohin der eigene Kompass ausschlägt, verrät viel über die grundsätzliche Haltung zur Freizeitgestaltung. Auf der einen Seite liegen Geröll und Hänge, Wanderstöcke und Blitzregen, auf der anderen warten Hängematten und schaukelnde Wellen, Palmen und Müßiggang. Wer die Gipfel stürmt, muss sich der Natur fügen und sie sich zum Verbündeten machen. Zufluchtsräume sind von jeher eine Notwendigkeit, wenn Niesel und Fön unvermittelt um den nächsten Hang biegen. Die traditionelle alpine Architektur schützt mit steinernen Mauern vor der Kälte und mit steilen Dächern vor Niederschlag, zeitgenössische Gebäude geben sich minimalistisch, reduziert und zeigen skulpturale Tendenzen. Der Tradition, Geschichte und vor allem der Szenerie verschließen sie sich dabei nicht. Sie schaffen es, spektakulär zu sein, ohne zu konkurrieren. Und sie stellen sich topografisch eigenwilligen Situationen.

Wie das schon im kleinen Maßstab funktionieren kann, zeigt die kleine Hütte Tubakuba. Sie steht auf einem norwegischen Gipfel und empfängt ihre Gäste mit einer gekrümmten Front aus Holzlatten, die sich wie ein dunkles Wurmloch ins Innere des Hauses biegt. Der enge Kanal spuckt den Gast direkt vor dem die Frontseite ausfüllenden Fenster aus und zwingt ihn zur Auseinandersetzung mit Ort und Perspektive. Die bei einem Workshop der Bergen School of Architecture entstandene Hütte bietet damit zwar keine einstein’sche Reise durch die Zeit, aber immerhin eine durch den Raum. Das Holz der Schale verliert sich in der Landschaft und ist eine typische Wahl für Bergbauten. Denn solche Gebäude werfen die Landschaft oft als ästhetisches Echo zurück, durch lokales und ortschlüssiges Material, aber auch durch ihre Silhouette. Das organisch gerundete Clover Haus von Felipe Escudero steht auf einer Höhe von 3600 Metern, ein Höhenbereich, der in den Anden noch von weicher Hügellandschaft bestimmt wird. Der weich geschwungene Betonkörper antwortet auf die Landschaft, wie auch das spitze Valley House von Plan Bureau, das aus auf die Kanten gestellten Holzkuben zusammengesetzt zu sein scheint. Seine Kulisse bilden die zackigen Spitzen der Dolomiten.

Im Schatten der Massive
Weniger expressiv sind die Bauten von Pedevilla Architects, die zunächst mit dem Haus Pliscia ein modernes Haus nach lokaler Typologie in einen Südtiroler Weiler gesetzt und zuletzt ein schlichtes Wohnhaus in Mühlen in Taufers realisiert haben. Beide Häuser sind zarte Zitate. Pliscia schmiegt sich mit dunkler Zirbe verkleidet in den grünen Hang, das Haus am Mühlbach ist ein freistehender weißer Block mit einem milden Knick in der Fassade. Sein Profil wirkt wie ein skaliertes und reduziertes Abbild des dahinter aufragenden Massivs. Die Fenster beziehen sich auf Punkte in der Landschaft und geben einen Hinweis auf die Inszenierung der Räume. Denn ob modern oder urig – im Innern der meisten Gebirgsgebäude spielt die Natur die Hauptrolle. Große Fenster holen sie herein oder bilden Kanäle für Sichtachsen durch das Gebäude auf Gipfel, Wälder, Höhenzüge. Was die Architekten von Pedevilla ebenfalls gekonnt vorführen, ist die Inszenierung des Innenraumes. Der ist zurückgenommen, aber traditionell, viel unbehandeltes Holz trifft auf Weiß, Stein und Beton, immer wieder setzen die Architekten Akzente und setzen lokales Handwerk als Schlüsselstücke in den Mittelpunkt.

Möbel und Design aus den Alpen, Bauernschränke und Küchenbänke, Melkschemel und Stühle mit Herzen im Rücken kommunizieren hervorragend mit den sanften Nuancen zeitgenössischen skandinavischen Designs, glatten Möbelblöcken und matten Texturen. So wie der Stuhl Trix von Schmidinger aus dem Bregenzerwald, der den klassischen Brettstuhl aus dem Alpenraum aufgreift. Rückenlehne und Griffloch orientieren sich mit ihrer Herzform an althergebrachtem Vokabular, während die Sitzschale aus modernem, federndem Formholz gefertigt ist. Ebenfalls dezent sind die Panoramen aus abstrahierten Bergspitzen, die als Brettchen von Runa Klock oder Salzmühlen von Martino Gamper in Flachland-Wohnungen einziehen können. Die passen gut zur Brotzeit, die stilgerecht mit dem Trekkingmesser-Klassiker von Opinel bestritten wird. Auch deswegen dürfen viele der Gebirgszitate wieder mit ins Tal genommen werden. Solange sich Alpenstil und Bergromantik in Gestalt authentischer Produkte zeigen.

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